dinsdag 2 december 2008

eerste


Am 1. August 1914 erklärte das Deutsche Reich Rußland den Krieg. Vom Balkon des Berliner Schlosses aus rief Kaiser Wilhelm II. die Deutschen zur Mobilmachung auf. „Mitten im Frieden überfällt uns der Feind. Darum auf zu den Waffen! Jedes Schwanken, jedes Zögern wäre Verrat am Vaterlande“, lauteten die später auf Tonband aufgenommenen Worte. Vor dem Reichstag postulierte der Kaiser: „Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche.“ Selbst die Sozialdemokraten glaubten den Beteuerungen der Reichsregierung, Deutschland führe einen Verteidigungskrieg gegen das verhaßte zaristische Rußland.

Unter diesen Umständen wollten sie ein für alle Mal den Vorwurf, „vaterlandslose Gesellen“ zu sein, abstreifen und sich als Patrioten erweisen. Am 4. August 1914 bewilligte die SPD-Fraktion im Reichstag einstimmig die Kriegskredite. Innerhalb der Sozialdemokratie hatte sich eine Wandlung vollzogen. Die Mehrheit wollte zur staatstragenden Partei werden. Die Verfechter einer linksradikalen, Kaiserdämmung revolutionären Position—wie Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht—sahen sich auf einmal in der Minderheit. Der Krieg sollte zum Ursprung einer folgenschweren Spaltung der deutschen Arbeiterbewegung werden.
Anfang August befand sich Deutschland mit den Großmächten Rußland, Frankreich und England im Krieg. Die industrielle Dynamik, mit der die Europäer zu Herrschern der Welt geworden waren, zeigte im Krieg ihre häßliche Fratze. Bis zum Kriegsende starben etwa 6000 Mann täglich, insgesamt fast neun Millionen Soldaten.

Die in der Julikrise aufgetretenen Führungsmängel des Kaisers wurden im Krieg noch offensichtlicher. Er war seiner Rolle als oberster Kriegsherr nicht gewachsen und mußte den Militärs das Kommando überlassen. „Der Generalstab sagt mir gar nichts und fragt mich auch nicht“, beklagte sich der Kaiser, „ich trinke Tee und säge Holz und gehe spazieren, und dann erfahre ich von Zeit zu Zeit, das und das ist gemacht.“

Sein Einfluß sank noch weiter, als Paul von Hindenburg und Erich Ludendorff im August 1916 die Oberste Heeresleitung übernahmen und eine Art Militärdiktatur errichteten. Nur die Fassade des souverän entscheidenden Monarchen wurde aufrechterhalten: Er blieb meist im Großen Hauptquartier, besuchte die Front und verlieh Orden. Von Kampfhandlungen hielt man ihn jedoch fern. Es war der Schein der Macht, der ihn umgab—seine Wirkung auf die Deutschen verel. „Der Kaiser wird mit jedem Tag mehr zum Schatten eines Herrschers“, schrieb die Fürstin Blücher im Juli 1917, „die Leute sprechen ganz offen von einer Abdankung.“

Schon im Oktober 1914 war der Krieg im Westen in einen Stellungskrieg übergegangen, in dem trotz zahlreicher blutiger Offensiven von beiden Seiten die Frontlinien sich bis 1918 nicht wesentlich veränderten. Im Osten dagegen konnte die russische Armee, die in Ost- und Westpreußen zunächst erhebliche Erfolge errungen hatte, von den deutschen Streitkräften unter dem Kommando des aus dem Ruhestand zurückgeholten Generals Paul von Hindenburg niedergekämpft werden.

Unterstützt durch die Russische Revolution von 1917 und die völlige Demoralisierung des russischen Heeres, gelang es den deutschen Truppen, bis zum Kriegsende 1918 weite Teile Rußlands zu besetzen. Dafür befand sich das Deutsche Reich—weil es den uneingeschränkten U-Boot-Krieg erklärt hatte—seit dem 6. April 1917 auch mit den USA im Krieg. Deren frischen Truppen hatten die erschöpften deutschen Verbände an der Westfront nichts entgegenzusetzen.

Doch je länger das Blutvergießen an den Fronten dauerte, desto lauter wurden die Proteste der Untertanen zu Hause. Die Heimatfront war kriegsmüde. Die Bevölkerung litt Hunger, verursacht durch die alliierte Versorgungsblockade. Mehr als 700.000 Menschen starben in den Kriegsjahren 1914 bis 1918 an Hunger oder Mangelerkrankungen. Radikale Sozialisten wie Karl Liebknecht fachten die Demonstrationen und Massenstreiks der Arbeiter an. Seit klar war, daß der Kaiser keinen Verteidigungs-, sondern einen Eroberungskrieg führte, war die SPD gespalten. Doch auch die gemäßigten Sozialdemokraten zusammen mit den anderen Mehrheitsparteien im Reichstag forderten unmißverständlich einen Verständigungsfrieden ohne Annexionen—und demokratische Reformen. Nach einer letzten großen Offensive im März 1918 war das deutsche Heer am Ende.
Ende September empfahl General Ludendorff dem Kaiser, um Waffenstillstand nachzusuchen. Darüber hinaus wurde Wilhelm II. von der Heeresleitung genötigt, am 30. September 1918 ein parlamentarisches Regierungssystem einzuführen—um die Friedensverhandlungen mit den Alliierten zu erleichtern. Der Kaiser von Gottes Gnaden hatte ausgedient. Unversehens fanden sich nun auch die Sozialdemokraten in der Reichsregierung wieder.

Als einen Monat später die Matrosen rebellierten, verlor der Monarch weitgehend den Bezug zur Realität. Obwohl ihn die Reichsregierung zur Abdankung drängte, tönte er noch am 1. November: „Wenn zu Hause der Bolschewismus kommt, stelle ich mich an die Spitze einiger Divisionen, rücke nach Berlin und hänge alle auf, die Verrat üben. Da wollen wir mal sehen, ob die Masse nicht doch zu Kaiser und Reich hält.“ Obwohl ihm seine Offiziere erklärten, daß nicht einmal die Truppen zu ihm stünden, weigerte sich Wilhelm II. bis zuletzt, auf den Thron zu verzichten. Auf Druck der Straße verkündete der neue Kanzler Max von Baden am Mittag des 9. November der Welt eigenmächtig die Abdankung des Kaisers—und übergab den Sozialdemokraten die Regierung.

Der Kaiser wurde nicht mehr gefragt. Am 9. November um 14 Uhr rief der SPD-Abgeordnete Philip Scheidemann vom Fenster über dem Hauptportal des Reichstagsgebäudes die Republik aus. „Der Kaiser hat abgedankt, er und seine Freunde sind verschwunden. Über sie alle hat das Volk auf der ganzen Linie gesiegt. Das Alte und Morsche, die Monarchie ist zusammengebrochen. Es lebe das Neue! Es lebe die deutsche Republik!“

Einen Tag später setzte der Kaiser sich in Richtung Niederlande ab. Es war das Ende der Monarchie in Deutschland—und das Ende von Wilhelms Weltmachtträumen. Er sollte seine Heimat nie wieder sehen. Der deutsche Ex-Kaiser starb am 4. Juni 1941 auf seinem Schloß Doorn im holländischen Exil.

[Aus dem Begleitbuch zur ZDF Sendereihe „Die Deutschen“ aus dem C. Bertelsmann Verlag]

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